TH D.H. HILL LIBR,PRY
NOBTH CROLINA STATE COLLEGE
159694. This book may be kept out TWO WEEKS ONLY, and is subject to a fine of FIVE CENTS a day thereafter. It is due on the day indicated below:
Sandbıd
der
Naturgeſchichte
von «
Doh. Fried. Blumenbach
1, Bon den Naturalien uͤberhaupt u. 9. Von den Würmern. ihrer Eintheilung indrey Reiche, 10. Bon den Pflanzen. 2. Von den organifirten Körpern 11. Bon den Mineralien überhaupt.
überhaupt. 12.Bon den Steinen und erdigen 3. Bon den Thieren überhaupt. Mineralien. 4. Bon den Säugethieren. 13. Bon den mineralifhen Salzen. 5. Bon den Vögeln. 114. Bon den brennlichen Minera 6. Von den Amphibien. lien. 7. Bon den Fifchen. 15. Bon den Metallen. 8. Bon den Inſecten. 16. Bon den Verfteinerungen.
Zwolfte Ausgabe. Mit zwey Rupfertafeln
WMien, 1832. Bey Mich. Lehner Univerfitäts » Buchhändfer.
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o gebe ich denn Die zwölfte rechtmäßige Auflage die= fe3 Handbuchs ang Licht, das, mehrere Nachdrücke des— felben ungerechnet, auch in mancherlei Spraden (— ins Englifhe, Franzöſiſche, Stalienifhe, Holländiſche, Dä— niſche und Ruſſiſche —) überſetzt worden, kurz, wie man ſpricht, ſein publikum gefunden hat.
Es bedarf dabei nicht erſt der Verſicherung, daß dieſe abermalige Ausgabe mit ganz bedeutendem Zu— wachs und Berichtigungen ausgeſtattet worden, wovon ich namentlich im mineralogiſchen Theile Vieles der Gü— te meiner theuren Freunde und Collegen, der Hofräthe Stromeyer und Hausmann verdanke.
Nachſtehendes aus der Vorrede zu den vorigen Aus— gaben mag auch in dieſer ſeine Stelle finden.
Ich habe eben in jenen mineralogiſchen Abſchnitten, fo wie im ganzen Buche, von Geſchlechtern und den dar— unter begriffenen Gattungen aefproden. Denn, Daß man in der Mineralogie Die Foſſilien in genera und species einfheilt, „und die genera auf deutſch Ge— ſchlechter, fo wie die species Gaffungen nennt, daruber ift meines Wiſſens unter den gelehrten und phi— Iofophifhen Mineralogen Deutfchlands nur eine Stim— me. Und fo verfteht ſichs wohl von felbft, Daß wenn ich alfo in einem Theile ded Buchs die Benennungen von Geflecht und Gattung in diefem von jeher angenonmer nen Sinne brauchen mußte, ich nieht in einem andern Iheile dag Wort Gattung im verkehrten Sinne für ge- nus brauchen durfte, wie doch in der That neuerlich von
—
iv Borrede.
gar manchen deutſchen Schriftftellern in der Zoologie und Botanik beliebt ift.
Sch weiß nicht , wer der Reformator ift, der Diefe Umfehrung der Begriffe und ihrer beſtimmten Zeichen zuerft unternommen haben mag: — aber wohl weiß ich, was er mit einem folhen verfuchten Eingriffe in den. Sprachgebraud
„guem penes arbitrium est, et Jus, et „rorma loquendi“
bei andern aufgeflärten Nationen riskirt hätte: — daß e3 ihm Hingegen in Deutſchland nicht an Nachahmern gefehlt hat, ift eben nicht unerwartet. — Genug indeß, daß fo viele philofophifche Naturforfcher und die größten unferer nafurfundigen Philofophen dag verba valent si- eut numi beffer befolgt, und fich alfo durch dieſe fon= derbare Umftempelung nicht irre führen laffen. — Und warum auch ich für meine Perfon es hierin lieber beim Alten laffe, als mich an jene Nachahmer anfchliege, da= für habe ich folgende Gründe:
1. Hoffentlich weiß doch ein jeder, feiner Sprade kun— dige, deutſche Nakurforfher (— und wer es nicht weiß, der kann es aus Adelungs Wörterbuch lernen —) was die erfie und FZundamentalbedeufung des Wortes Geſchlecht if:
„Die Aehnlichkeit der verfihiedenen Gak- „tungen der Dinge :“
Dieß ift der wahre 'eigentlihe Sinn des MWortes Geſchlecht, wie wir ihn von Kindesbeinen an, ſelbſt aus des feiner Sprache höchſt kundigen Luther's Bibel- Ue- berſetzung lernen. | '
Dem zu Folge wiffen wir alfo in Anwendung auf Methodologie in der Naturgeſchichte:
Die Gattungen ſchafft die Natur: der Sy— ſtematiker bringt fie nad ihren gemeinſchaftli— hen Aehnlichkeiten unter Geſchlechter.
Borede— v
2. Eben ſo ausgemacht und bekannt iſt aber auch, daß hingegen das Wort Gattung von dem Zeitworte ſich gatten, abſtammt; und da nun im freien Na= furzuftande wohl nur die Thiere von einer species ſich mit einander fruchtbar gaften, fo verfteht ſich alfo von felbft, daß das Work species, in dem Sinne, wovon bier die Rede ift, Durch Fein anderes. deutfhes Wort paffender und bezeichnender und beftimmter ausgedrückt erden konnte, als durch Gattung—
5. Daß aber bie Homonymie des deutſchen Wortes Geſchlecht, indem es ſowohl genus als sexus bedeutet, zu Irrung Anlaß geben werde, iſt wohl eben ſo wenig im Ernſt zu befürchten, als bei dem lateiniſchen Worte genus, das, wie wir in den Knabenjahren in der Gra— matik beim Unterſchied der Worte generis masculini oder feminini lernen, auch ſtatt sexus gebraucht wird.
4. Und wenn aber auch obbeſagter Reformator im Ernſte ſo etwas befürchten zu müſſen meinte, ſo hätte er immerhin mögen wer weiß was für ein Wort von eige— ner Fabrik ſtatt des ihm bedenklichen Geſchlechts vorſchlagen; aber nichts konnte ihn berechtigen, die Landesſprache — d. h. den beſtimmten einmal feftgefeg- ten Sinn der deutſchen Worte — (da man z. B. Men- ſchen N ıc. fagf, fo gut wie gerus humanum) zu verkehren! Denn, wie unfer fel. Lichtenberg bei einem ähnlichen Anlaß ſich ausdrückt: .
„Hypotheſen zu machen, und fie als feine Stim— „me der Welt vorzulegen, darf niemand gewehrt „feyn, fie gehören dem Verfaſſer. Aber die „Sprache gehört der Nation, und mit
„dDiefer darf man nid al „wie man will.“
Die gleiche fchuldige Achtung gegen dieſes der Na= fion gehörige Eigenthbum, habe ih auch bei den deut— fhen Namen der Naturalien beobachtet, und mich daher . immer der allgemein angenommenen und allgemein ver»
*
vı Borrede.
ftänblicden, nicht aber efwa der Solvcismen einer eine zelnen Provinz bedient. Darum brauche ich z. B. nicht Das hier zu Lande gewöhnliche Wort Molle, fondern das allgemein angenommene Molch; eben.fo nicht das im Erzgebirge gebräuchliche Wort Kobelt, fondern das längſt allgemein adoptirfe und feldft in andere lebende und todte Sprachen aufgenommene Kobalt u. f. w. Anders ift der Fall mit den in der Nafurbefchrei- bung von unfern neuen Spftemafifern zur Bezeichnung der Geſchlechter und ihrer Gattungen felbfterfuns, denen Kunft- und: Sriviale Namen. So billig und vernünftig es freilich ift, auch hierin fo viel als möglich die einmal ziemlich allgemein angenommenen Benennuns gen beizubehalten, fo konnen doch Fälle eintreten, wo es noch billiger und vernünftiger ift, einen vorher ge» wählten Namen, wenn er einen durchaus irrigen Begriff erweckt, gegen einen richtigern umzutauſchen. And doch : babe ich mich dieſer an.fich erlaubten, aber auch heut zu Zage fo off gemißbrauchfen und daun das Studium der Nakurgefchichte fo außerft erſchwerenden Freiheit nur in fehr wenigen Fällen, mo es mir unvermeidlich ſchien, bedient. So habe ich 5. B. den Panzerthieren oder Ar— madillen ihren einheimifhen, allgemein befannten und längft von claffifhen Zoologen angenommenen Namen, Tatu, reftituirt; da man fonft diefen faft haarlofen Shieren durch einen feltfamen Mikgriff den Namen, Rauchfuß, Dasypus, beigelegt hatte, womit die al- ten Griechen, ganz paffend und vollig nach der Nafur, Das rauchfüßige Haſengeſchlecht bezeichnet haben. — Aus ähnlichen Gründen brauche ich für den fehonen neufeeländifchen Nephrit lieber feinen einheimifchen Na— men (Punammuftein), unter welhem er zuerſt von unfern Antipoden zu ung gebracht und befannt worden, als die ihm neuerlich beigelegte Benennung Beilftein, da ich im hieſigen afademifchen Mufeum, fo wie in den in £ondon befindlichen großen Sammlungen von füdlän- difhen Merkwürdigkeiten, zwar wohl die Menge von Haken und agdern Geräthen, fo fih Die Nenfeelander
Borrede VII
aus dieſem Steine bereiten, aber ſchlechterdings kein daraus verfertigtes Beil aufgefunden habe. — Eben ſo habe ich diejenige Gattung des Fledermausgeſchlechts, Vampyr oder Blutſauger genannt, die wirklich ſchlafen— den Säugekhieren das Blut ausſaugt: Da hingegen Linz ne diefen Namen dem fliegenden Hund beigelegt hatte, der wohl feit die Welt ſteht, Fein Blut gefogen hat, fondern fi ganz allein von Früchten nährt. — ber viele andere, nur nicht gar zu unpaffende Kunftnamen der Art habe ich dennoch beibehalten, um ja nicht Die Nomenclatur und Synonymien ohne dringende Noth, zur großen Laft der Lernenden, zu häufen.
Daß aber mande bekannte Namen von Näturalien bier doch anders gefchrieben werden, als es insgemein geſchieht, bat auch feinen -gufen Grund. Go fihreibe ih 5. 3. Tofus und nicht Tophus, weil es Fein grie= chiſches Wort ift; eben fp Manacanit ”) und nit Mtenacanit, weil der Fundort diefes Foſſils in feiner er= ſten Sylbe ein a bat, fo gut wie Hamburg oder Frankfurt.
Im Thierreihe habe ich immer den lafeinifchen Na= men vorausgeſetzt, weil da hundert exotiſche Gefchopfe vorkommen, die im Deutſchen Feinen bekannten verftand= lichen Namen haben, Im Mineralreiche hingegen ift der Fall umgekehrt. Da find gerade die deutſchen Benen— nungen die befannteften und felbft großen Theild in ane dere Sprachen aufgenommen.
Beim Thierreiche ift denjenigen Gattungen, die fich in Deutfchland finden, wieder fo, wie in den vorigen Ausgaben, ein 7 vorgefegt. Im Mineralreih Tonnfe dieg unterbleiben, weil fo ein Zeichen bei den allgemein verbreiteten Foſſilien uberflüffig, bei vielen von Denen
*) Nach der, nie ohne großen Nachtheil für unfre Sprache zu vernachläffigenden Regel: Di »Man muß alle Worte — und wie vielmehr noch die Eigen— namen — fo fihreiben, als die Sprache fie fchreibt , aus der man fle entlehnt.« ſ. Legat. Rath Hennide im allg. Anzeiger der Deutfchen 1809. No, 16.
viti Borrede
aber die in Deutſchland felbft ein fehr eingefhränftes Baterland haben, wie der Boracif ꝛc. unzureichend ges
weſen wäre, Die Abbildungen naturhistorischer Ge-
genstände, die in der Berlagshandlung dieſes Hands buchs heftweife berausfommen, (— und von welchen fhon mehrere Hefte [namentlich I. I, V. VI.] in neuen verbefferten Auflagen erfchienen find —) beziehen fich auf die neueften Ausgaben desfelben und dienen ihm zu einer zweckmäßigen Erläuterung,
Göttingen, im Sanuar 1831.
I. 8. Blumenbach.
Erfter Abſchnitt. Don Naturalien überhaupt
und
ihrer Einfheilung in drey Reiche.
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He Korper, die fih auf, und in unferer Erde finden, zeigen fih entweder in derfelben Geftalt und Befchaffenbeit, die fie aus der Hand des Schopfers erhalten und durch die Wirkung der fi) felbft überlaffenen Naturfräfte angenommen haben; oder fo, wie fie durch Menſchen und Thiere, zu beftimmten Abfichten, oder auch durch bloßen Zufall verändert und gleihfam umges fhaffen worden find.
Auf diefe Verfohiedenheit gründet ſich die befannte Einthei- Tung derfelben innatürliche (naturalia), und durch Kunft verfertigte (artefacta). Die erftern machen den Gegen— ftand der Naturgıfhichte aus, und man pflegt alle Körper zu den Naturalien zu rechnen, die nur noch Feine we— fentlide Veränderung duch Menfden erlitten baben. Artefacten werden fie dann genannt, wenn der Menſch *) abfichtlih Veränderungen mit ihnen vorgenommen.
Anm. ı. Daß übrigens jene Begriffe vom Wefentlihen und vom Abfihtlihen im gegenwärtigen Falle, bei fo verfchie: _ dentlicher Ruͤckſicht und Mopdification, nicht anders als relativ jeyn koͤnnen, bedarf wohl Feiner Grinnerung. — Denn fo Fönnte man ein Maufthier , oder einen Garaiben mit feinem durch die
Kunft gemodelten Schedel und dergl, mehr, aus gewiſſer -Rüd- fiht auch zu den Artefacten nehmen.
*), »Ars, sive additus rebus kRomo.« Bacon DE VeruLam.
de augm. scient. L. II.
»L'art en general est Yindustrie de ?homme appliquee par »ses besoins, ou par son luxe, aux productions de la Nature,«
Diveror Syst. figure des connoiss, humaines.
Blumenbach's Naturg.
D. H. HILL LIBRARY ( North Carolina State College
2 I. Abſchnitt. Naturalien,
Anm. 2. Zuweilen koͤnnen Naturalien manchen Kunſtproducten fo aͤhnlich ſeyn, daß ſie ſchwer von einander zu unterſcheiden find. Daher 3. 3. die ehedem getheilten Meinungen, ob der Ueberzug in der piscina mirabile bei Bajä ein von felbit aus dem Waſſer abgeſetzter Rindenſtein von Kalkſinter, oder aber ein abſichtlich aufgetragener Fünftlicher Mörtel ſey. —- ſ. Goͤtting. gel. Une zeigen 1791. 188. St. —)
8. 2.
Alle und jede natürlichen Körper zeigen, ı) in Rüdficht ih— ver Entftehung, 2) ibres Wachsſthums, und 3) ihrer Structur, eine doppelte Verſchiedenheit.
Die einen nähmlich find-allemahl von andern natürlichen Körpern derfelben Geftalt und Art hervorgebracht; fo daß ihre Exiſtenz in einer ununterbrochenen Reihe bis zur erften Schö—
pfung *) hinauf immer andere dergleichen Korper vorausfegt, i.
denen fie ihr Dafenn zu danfen haben. Zweytens nehmen fie allerhand fremde Subftanzen als
Nahrungsmittel in ihren Körper auf, affimiliren fie den Bes,
ftandtheilen desſelben, feheiden das Weberflüffige wieder aus, und befördern mitselft diefer beftändigen Erneuerung und Wed» fel ihr Wahsthbum von innen (dur) innige Aneignung, in- tus susceptio, expansio).
Diefe beiden Eigenfchaften fegen dritten von felbft eine bes fondere Structur bei diefer Art von natürlichen Körpern vore aus. Sie müffen nähmlih, wenn fie auf diefe Weife Nabe rungsmittel zu fih nehmen und ummandeln und mit der Zeit andere Gefhöyfe ihrer Art mieder bervorbringen follen, mans eherlei diefen Zwecken der Selbfterhaltung und Fortpflanzung entfprechende, deßhalb mit den fo genannten Lebenskräften ver— fehene, und zu einem zweckmäßigen Ganzen unter einander ver= bundene, Gefäße, Adern und andere Organe in ihrem Kör— ver haben, die zur Aufnahme beftimmter Säfte, zur Affimilas tion jener Alimente, zur Erzeugung der Nachkommenſchaft u. f. w. nothwendig find. j
Dies Alles fehlt bei den natürlichen Körpern der andern Art, nabmlih der Mineralien. Beides, fowohl ihre Ent—
*) Oder wenigftens big zu ihren erften Stammältern hinauf. — Denn ich Habe im erften Theile meiner Beyträge zur Naturgeschichte Zacta angeführt, die ed mehr als bloß wahrfcheine
lich machen, daß auch ſelbſt in der jegigen Schöpfung neue Gattunz,
gen yon organifirten Körpern entjteben, und gleihfam naherfhaf- fen werden; wohin namentlich auch die erfte Entftehungsmerfe mau— cher fehr einfachen und mifroffopifchfleinen organifirten Korper, wie
3. 8. der mehrften fogenannten Infuſionsthierchen zu gehören ſcheint.
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drey Naturreiche ıc. 3
fiebung, ald ihr Wachsthum (mern man es gar nur Wachs— thum nennen darf), wird keinesweges durch Ernährung, fon= dern lediglich nad) eigentlich fo genannten bloß phyſiſchen (me= chaniſchen und chemiſchen), Gefegen dur Anhäufung oder Anz faß bomogener Theile von außen (aggregatio, juxta po- sitio) bewirkt; folglich ift bei ihnen weder urfprüngliche Orga— nifation noch Lebenskraft zu erwarten *).
Und eben deßhalb heißen fie unorganifirte, und jene hingegen organifirte on
Endlich find nun aber auch jene organifirten Körper ſelbſt, befonders in der Art, mie fie ihre Nahrungsmittel zu fih nehmen, von einer doppelten Verſchiedenheit.
Die einen nähmlich faugen einen fehr einfachen Nahrungs— faft, vorzüglich mittelft zahlreicher Fafern, die fih am untern Ende ihres Körpers befinden, ohne merklihe willkührliche Be— wegung in fi).
Da hingegen die andern eine meift einfache Hauptöffnung am obern oder vordern Ende ihres Körpers haben, die zu einem geräumigen Schlauche führt, wohin fie, vom innern Gefühle des Hungerd getrieben, ihre Alimente, die von fehr verfchiedes ner Art find, mittelft willfürlicher Bewegung bringen.
Senes find die Pflanzen, diefes die Thiere.
Anm. Hingegen gibt, die Fähigkeit den Standort zu verändern (loceomotivitas) Fein hinreichendes Unterfheidungszeichen der Thiere von den Pflanzen, ab. Denn viele Pflanzen, wie 5. 8. die gemeinen Waflerlinfen , find nicht feftgewurzelt, fondern koͤn— nen zu gewiſſen Sahrszeiten ꝛc. ihren Anfenthalt verandern, bald zu Boden finfen, bald wieder auf die Oberfläche des Waſſers fteigen u. f. w. Und anderfeitd gibt ed ganze Gefchlechter von Waſſerthieren, zumahl unter den Conchylien, Corallen ꝛc. die ihren einmahl eingenommenen Pla nie von felbft wieder ver laſſen Fönnen.
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Diefe fehr faßliche Eintheilung der natürlichen Koͤrper in organifirte und unorganifirte ($. 2.), und der organifirten wieder unter einander ($. 3.), ift nun der Grund der befannten drey Reiche, worunter man die Naturalien ſehr ſchicklich ges bracht bat, und wovon das erfte die Thiere, das zweyte die Pflanzen, das dritte die Mineralien begreift.
Die Thiere find demnach belebte und befeelte organifirte
*) Vergl. Hausmann’ Unterfuchungen über die Formen der Teblofen Natur. 1 3. ©. 20 u. f. s
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— 1. Abſchnitt. Naturalien,
Körper, die ſich ihre ſehr vielartige Nahrung mittelſt willkür— Yicher Bewegung ſuchen, und felbige dur den Mund in den Magen bringen.
Die Pflanzen ſind zwar ebenfalls belebte organifirte Kör—
ser, aber unbefeelt, fo daß fie ihren fehr homogenen Nah— rungöfaft ohne millfürlihe Bewegung mittelft der Wurzeln einfaugen.
Die Mineralien endlich find unbelebte und unorgani= firte Körper, die folglich ohne Lebenskraft nah den phyſiſchen (mechaniſchen und chemiſchen) Gefegen von Anziehung, Anhäu— fung, Bildungsfraft ıc. entftehen.
Anm. Gegen diefe Eintheilung in drey Reiche, ift, zumahl neu: — eine doppelte Einwendung gemacht worden.
Manche haben zwar die Kluft zwiſchen den organiſirten und unorganifirten Körpern anerkannt, aber nur Feine beftimme ten Gränzen zwifchen Thieren und Gewächfen zugeben wollen :
Andere hingegen haben die beliebten Metaphern von Stu— fenfolge der Geſchoͤpfe geradezu dahin gedeutet, als ob überhaupt feine beftimmbaren Gintheilungen der Naturalien in Reide u. f. w. Statt fanden:
Was das erfte betrifft, fo folfte man zwar überhaupt nicht vergeſſen, was fo oft bey Gegenftänden der Erfahrung der Fall
tft, daß man fie weit leichter für das, was fie find, richtig ane erfennen und von andern unterfcheiden, als ihre einzelnen unter: ſcheidenden Merkzeichen ausfinden und angeben Fann *) — So fagte 3. 8. Zinne: »nullum characterem hactenus eruere »potui, unde Homo a Simia internoscatur.« Nun glaube ich zwar in diefem Buche folche aufere Charaktere der Humanität angegeben zu haben, wodurch fich der Menih von den noch fo menjchenabnlichen Affen (wie man fie nennt), fo wie überhaupt von allen andern Saͤugethieren unverkennbar auszeichnet. Aber auch ohne diefelden wird doc hoffentlich nie ein Naturforſcher in praxi in Derlegenheit gefommen feyn, Menſchen und Affen etwa zu verwechfeln. — Außerdem aber koͤnnen ferner Gefchöpfe aus noch ſo verschiedenen Claſſen manche theils auffallende und uner— wartete Aehnlichkeit mit einander haben, ohne daß dadurch die defien ungeachtet unverfennbare Berfchiedenheit zwifchen dieſen Glaffen felbft wegfallen dürfte. Man theilt 3. B. die Thiere fehr natürlich in marıbFütige und Faltbfütige; und rechnet eben fo nas tuͤrlicher Weife die Saͤugethiere zu jenen und hingegen die Inſee— ten zu dieſen; ohne‘ je deßhalb irre zu werden, daß die Bienen in ihrem Stocke fo ganz ohne Vergleich warmer find, als etwa ein Igel während feines Winterfchlafs. — So gibt e8 unter den
*) »Facilius plerumque es rem praesentem discernere, »quam verbis exacte definire.« Gausıus.
»Allein der Fehler liegt nicht am Unterfcheidungsgrunde, welcher vſtets wahr bleibt, fondern nur an der Schwierigkeit ihn in manchen »Faͤllen zu finden.« J. Aug. Unzer.
- drey Naturreiche ꝛc. 5
Mollusken Gefchlechter, wie 3. B. die Sepien, die ſich von den - übrigen Thieren dieſer Claffe jehr auszeichnen, und dagegen man— he auffallende Aehnlichkeit mit den Fifhen haben. Aber Nie: mand wird meinen, deßhalb müfe nun die Scheidewand zwiſchen
dieſen beiden Claſſen aufgehoben werden. — Und eben ſo wenig wird Jemand im Ernſt in Verſuchung gerathen, das Thier- und Pflanzenreich deßhalb mit einander zu verbinden, weil man an gewiften Pflanzen gewiſſe Aehnlichkeiten mit gewiſſen Thieren be: merkt hat. Bon der Art find z B. die fonderbaren Bewegun: ‚gen mancher Mimofenarten,, und des hedysarum gyrans etc., die, fo merfwürdig fie auch an fich bleiben, doch gar nicht ein- mahl in den oben angegebenen Charakter der Animalität eingrei- fen. So wenig als hinwiderum diejenigen Aehnlichkeiten, fo die Arm-Polypen mit den Gemwachfen haben, den oben beftimmten Charakter der Begetabilität betreffen. Sondern, die Arm - Pos Iypen find Thiere, die fo wie der Menich und die Aufter, vom Hunger getrieben ihre Nahrung dur willfürliche Bewegung in den Mund bringen, was hingegen bey Feiner Pflanze, in der bis jegt befannten Schöpfung, der Fall ift.
Kun und fo beantwortet fh die an dere Einwendung ges gen die Naturreiche ꝛc., die fih auf die fo gepriefene Metapher von Stufenfolge der Gefchönfe gründet, eigentlich von felbit.
Alfe die beliebten Bilder von Kette, von Leiter, von Netz ıc. in der Natur, haben zwar für die Methodologie im Studium der Praturgefchichte in fofern ihren unverfenndbaren Nutzen zum regu— lativen Gebrauch, als fie den Grund eines fogenannten natür: lihen Syftems abgeben, worin man die Gefchöpfe nach ih— ren meiften und auffallendften Hehnlichkeiten, nach ihrem Total: habitus und der darauf gegründeten fo genannten Verwandtfchaft untereinander zufammen ordnet.
Aber fie nun, wie doch fo oft von mohlmeinenden Phyſico— theologen gefchehen, dem Schöpfer in den Plan feiner Schöpfung hinein legen, und die Vollfommenheit und den Zufammenhang derfelben darin fuchen zu wollen, daß die Natur (wie man ſich ausdruͤckt) Feinen Sprung thue, weil die Geſchoͤpfe in Rückſicht ihrer außern Form fo fein ftufenmweife auf ein- ander folgten, dad wäre doch ſchon an fich eine vermeffene Schwach - beit, wenn fie auch nicht, mie doch der Fall ift, bei erniterer Prüfung ſich ſelbſt widerlegte *). .
Denn man braucht bloß die noch fo Eunftreich und forgfäftig an- gelegten Entwürfe von folhen Stufenfolgen in der Reihe der Geſchoͤpfe näher zu befeuchten, um einzuſehen, wie fehr darin einerfeits fich ganze Haufen von Gefchöpfen ähnlicher Bildung in Geſchlechtern von faft unüberfehlich zahlreichen attungen (zumahl unter den Inſecten und Gewürmern, aber auch im Pflanzenrei— he) zufammen drängen, und andere dagegen gleichſam tfoltrt ſte— ben, weil; fie wegen ihrer ausgezeichneten, ganz eigenen Bildung nicht ohne fihtlihen Zwang in einer folchen Leiter der Natur ir- gendiwo eingefchoben und untergebracht werden koͤnnen (wie z. ©.
*) Mehreres hierüber habe ich im der zweiten Ausg. der Beytr PER zur Nalurgeschichte I, Ze. ©. 106. u. f. geſagt.
6 I. Abſchnitt. Naturalien,
die ganze Elaffe der Vögel; die Schildfröten, die fhon gedachten Se— pien u. a. m.). — Ferner aber finden fih Thiere, bey welchen, wie 3. B. bey den Scildläufen, Männden und Weibchen eine fo durchaus ganz verfchiedene Geftaltung haben, dag man folglich in der gedachten Leiter die einen von den andern trennen und nach diefer fo fehr verfchiedenen Serualform beiden auf weit von einander entfernten Sproflen ihre verfchtedenen Stellen anweifen müßte. — Nun dann zeigen fih Lüden in der Leiter, wo offene bar ohne einen fehr gewagten Sprung gar nicht über zu kommen ift, wie zu Einem Beyfptel ftatt aller, die zwifchen den organis firten Körpern und den Mineralien u. ſ. w. 4 So mangelhaft aber überhaupt die bildfichen Vorſtellungen von Kette und Natur u. dergl. gerathen müffen, fo ganz grund» 108 ift nun vollends gar die vermeffene Behauptung mancher Phy— ficotheologen, als ob Fein Glied aus diefer ihrer zu Papter ges braten Kette ausfallen dürfte, wenn nicht die Schöpfung ſelbſt ftocen follte u, f. w. — So gut einzelne Gattungen von Thieren aus ganzen großen Infeln, 3. 3. die Wölfe aus Großbritannien vertilgt find, ohne daß die Dafige Schöpfung durch dieſe nun— mehrige fcheinbare Lücke ihren fonftigen Zufammenhang verloren haben, follte, fo können andere Gefchöpfe aus ganzen Welttheilen und wohl von der ganzen Erde vertilgt werden (wie dieß allem nfhein nad mit manden, 3. B. mit dem Dudu wirklich ges chehen) , ohne daß durch diefen merflichen hiatus, der dadurch in der Kette der Phyficotheologen entfteht, der ewige ftille Gang der Schöpfung ſelbſt, im mindeften gefährdet werden dürfte.
Einige Hauptquellen und andere Hülfsmittel zur N. G. überhaupt.
Arıstorteues (lebte ungefähr Zoo Jahr vor Chriſti Geburt.) Zj. opera, Er ex ed. Gu. du Val. Paris. 1654. IV. vol. fol. zumahl im II. 8.
C. Prixrus Secunnus (T. im $. 79. nah Chr. Geh.) Zj. historia mandil. xxxvı. — Ein Paar faubere und correcte Handausgas ben find die Leidner, Elzeviriſche 1635. LIT. vol. 12. und die Zwey= brüder 1783. V. vol. 8, -
Conr. Gesner (t. 1562.) h . ‘
30h. Ray Ct. 1705.) Die hierher gehörigen Hauptwerfe diefer beis den Männer werden anderwärtd angeführt. —
C. v. Linse (+. 1778.) Zj. systema naturae ed. 12. Holm. 1766. IV. vol. 8. und die dazu gehörigen beiden mantissae ib. 1767. sq« 8.
ed. 13. aucla, reformata cura Jo. Fr. Gmeum. Lips. 1788. IX. vol, 8.
Und zum Verftändniß der linnéiſchen Kunftfprache: Jo. Rermn. For- stur enchiridion historiae nalurali inserviens. Hal. 1788. 8.
J. K. W. Illigers Verſuch einer fyftematifhen vollftändigen Ter- minofogie für dag Thierreich und Pflanzenreich. Helmftädt. 1800. 8.
G. L.. le Clerce C. de Burron (I. 1788.) Zj. histoire naturelle. Die Hrig. Ausgabe, Paris feit 1749. XXXIII. vol. 4. oder LXXII. vol. 12.
drey Naturreiche ꝛc. 7
Zur allgemeinen NR. ©,
F. ©. Voigt's Grundzüge einer N. ©. Franff. 1817. 8. Det Syſtem der Natur und ihre Serhihte. Sena. 1823. 8.
* — *
H. F. Link's Urwelt und das Alterthum, erläutert durch die Na— turkunde. Berl. 1821. u. f. II. Th. 8.
Zur geographiſchen N. G. C. Ritter’s Erdkunde im Verhaͤltniß zur Natur, Berl. ſeit 1817. 8
Mifcellan= Werfe.
G. v. Linse amoenitates academicae. Holm. feit 1749 IX. vol. 8. Oeuvres de Ch. Boxner. Neuch, 1779. sq. 4. die eriten V. B.
Pboſicotbeologiſche und ähnliche Werke.
Jo. Ray's wisdom of God manifesied in the works of the cerea- tion, ed. ı2 Glasgow. 1750. 12.
W. Deruan’s physicotheology. ed 4. Lond. 1716. 8.
Ch. Bonser cortemplation de la nature. (als IVter Band der ge: dachten Ausg. feiner Werfe.)
W. Parey’s zatural Theology. ed. 16. Lond. 1819. 8.
Holland. mit gehaltreichen Zufägen und Anm. von J. CraArısse. Amst, 1810, 8,
Woörterbüder.
Varm. ne Bomare Dictionnaire d’histoire naturelle. ed. 4. Lyon, 1791. VII, vol, 4.
IVouveau Dictionnaire d’histoire naturelle appligude 'aux arts etc. par une SocietE de naturalistes et d’agriculture. Par. 1804. XXIV, vol. 8.
Die des sciences natarelles, par plusieurs Prof. du Jar- din du Roi etc. Steasb, feit 1816. 8.
Pa. Anor. Nemsicuh’s allgemeines Polyglotten Lexicon der Na- turgeschichte, Hamb. 1793. IV. 3.8.
Sournale x.
Journal de physique, Paris von 1773 bis 1823. XCVI, 8. 4. “Annales des sciences naturelles. par AmIORIN, An, BrocnIARrT et Dumas. Paris feit 1824. 8.
* 4 *
Zur Naturwiſſenſchaft überhaupt — und zur Morphologie. Von Goͤ— the, Stuttg. u. Tuͤbingen ſeit 1817. 8
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8 11. Abfchnitt. Von den
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Zweyter Abſchnitt. Von den
organiſirten Koͤrpern überhaupt,
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$. 5.
—J allgemeinen werden die organiſi irten Körper ($. 2.Nvon ihres Gleichen *) erzeugt, dann durch eigene Kraft lebens= lang ernährt, und dadurch ihre Selbfterhaltung und Wachs— thbum, und wenn fie zu ihrer Reife gelangt, 2” ihre Sort: pflanzungsfäbigfeit bewirkt. $. 6.
Zu diefen großen Verrihtungen werden fie eben durch die _ Drganifation ihres Baues, und durch die mit derfelben verbundenen Lebensfräfte heſchickt gemacht. Denn durch dieſe letztern erhalten die Organe ſowohl ihre Empfänglichkeit für reitzende Eindrücke (stimuli) als ihr Bewegungsvermögen, ohne welches beides, weder Ernährung noch Wachsthum, noch twechfelfeitige Einwirkung der Theile jur zweckmäßigen Erhal⸗ tung des Ganzen, und umgekehrt **), denkbar ſeyn könnte.
Sich die Entſtehung a organifirten Körper zu erflä- ten, bat man, zumahl neuerlich, die fo genannte Evolus tiond= Hypothefe bequem gefunden, und gemeint, ed werde gar Fein Menfh, und Fein anderes Thier, und Feine Pflanze erzeugt, — fondern fie lägen alle ſchon feit der erften Schöpfung als völlig präformirte Keime *"*) bei ihren Aeltern und
*) ſ. oben ©. 2. Not. *)
**) Vergl. Kant's Gritif der Urtheilöfraft. ©. 285 Mal
— — (ſo ſagt Haller, das Haupt der neuern Evolu— tioniſten —) »alle Eingeweide und die Knochen ſelbſt waren ſchon im »unſichtbaren Keim vorhero gebaut gegenwaͤrtig, obgleich in einem faſt »fluͤſſigen Zuftande.«
Und das iſt doch wenigſtens beſtimmte Sprache.
organifirten Körpern überhaupt. 9
Vorfahren längſt vorräthig; die verfihiedenen Generationen ftecften, gleichfam wie eingepadte Schachteln, in einander, und würden nur nad) und nach, fo tie die Reihe an fie Fame, durch die Befruchtung entwidelt: und ans Licht gebracht. — Eine Mei- nung, die doch ſchon fomohl durch den dabei erforderlichen Auf— wand von übernatürliden (hyperphyſiſchen) Anftal- ten *), als durch die, allen Gefegen einer philofophifchen Na- turforſchung zumiderlaufende unnuge Vervielfältigung der natürlichen Pphyſiſchen]) ") Kräfte, und dur die un= überfehlihe Menge von zweckloſen Schöpfungen aller der zahllofen ypräformirten Keime, die nur nicht zu ihrer Ent- wickelung gelangen Eonnten, aller prajudizlofen Urtheilskraft widerftehen müßte, wenn fie auch nicht durch die überwiegenden gegenfeitigen Erfahbrungsgründe miderlegt würde.
Anm. Nach der einftimmigen Behauptung der allerberühmteften und allereifriaften Berfechter der Evolutionshypothefe, follen die praformirten Keime bei der Mutter vorrathig liegen , und während der Befruchtung durch die Kraft des hinzufommens den männlichen Zeugungsftoffes erweckt und zur Entwicelung an: getrieben werden. Was man Smpfängnig nennt, fey folglich nichts ald das Erwachen des fihlaftrunfenen Keimes durch den Reitz des auf ihn wirfenden männlichen Samens.
Alfo bedarf es bier zuworderft einer erweckenden Kraft. “Nun aber ähneln ja oft Kinder zum Sprechen bloß ihrem Vater; — Bäsen, die fi Furz hintereinander mit mehreren männlichen Hunden belaufen haben, werfen oft Zunge, die die fen verfhiedenen Vätern ähneln; — zweyerlei Men: fhenrafien, 3. 3. Neger und Weiße, zeugen mit einander nothwendigen Mittelfchlag, nahmlih Mulatten; — und wenn nun vollends ungleihe Gattungen (verfihiedene Speeies) von Thieren oder Gewaͤchſen einander befruchten, fo entftehen Baftar: de, die eben fo viel von der väterlichen als von der mütterlichen Seftaltung an fih haben. _ 5 Ja das läßt ſich Freilich nicht wohl verfennen: und dem zu Folge geftehen dann die Evolutioniften dem männlichen Samen,
Wenn hingegen andre, um die Evolutionshypothefe mit der Leb— re von der allmählichen Bildung zu vereinbaren, zwar zugeben, ‚daß der Zeugungsftoff nicht praformirt fey, aber doch meinen, daß er def- fen ungeachtet einen Keim enthalte, der dennoch was anders jey, als ungeformter Zeugungsftoff.rc., fo find das unbeftimmte, leere Ausdrü— de. Wenigſtens geht mir es dann mit folhen Quasi- Keimen, wie dem Cicero mit dem quasi corpus des Gottes der Epicurder, wo— von er ſagt: »eorpus quid sit intelligo; gaasi corpas quid sit »nullo prorsus modo intelligo.« j
*) ©. Kanta. a. D. ©. 372.
*) Phy ſiſche Krafte überhaupt — im Gegenfaß jener hyper— phyſiſchen Anftalten, .
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10 N. Abſchnitt. Don den
‚außer feiner erwedenden, nun auch Nro, 2. in fofern eine bils dende Kraft zu, daß” er den bei der Mutter praformirt gele— genen Keim wohl in etwas zur väterlichen Geftaltung umzufor- men vermöge.
Demnad wäre folglih 5weyerlei Kraft im männlichen Samen; 1) die erwedende und 2) doch auch eine bildende. —
Aber man Fann ja mittelft einer, mehrere Generationen bins durch immer wiederholten, Pünftfichen Baftardzeugung endlich die Eine Gattung von organifirten Körpern gänzlich in die andere umwandeln. So hat man 3. B. aus der Pünftlihen Befruhtung
h der Einen Pflanzengattung mittelft des männlichen Staubed von einer andern, Samen gezogen, welcher fecundable Bas ſtardpflanzen gegeben ; ; d. h., die ih zur Blüthezeit abermahls mit männlichen Staub von jener andern Gattung befruchten laf: jen, und wiederum feeundabie Baftarde der zweyten Genera— tion hervorgebracht. Jene Baftarde von, der erften Generation bielten gleichſam das Mittel zwiſchen beiden verſchiedenen Stamm— Aeltern von vaͤterlicher und mütterlicher Geite. Die von der zwey— ten hingegen ähnelten ſchon weit mehr. der vaͤterlichen, als der mütterlihen. Und nachdem die gleiche Fünftliche Befruchtung noch fernerweit durch zwey folgende Generationen eben fo wiederholt worden, jo entftanden endlich Pflanzen, an welchen die urfprüngs lihe m ütte rliche Geftaltung fo zu fagen ganz verwifcht, und in die väterliche umgewandelt worden. (— LE Kölreu ter's dritte Fortfegung der Nachricht von einigen das Gefchlecht der Pflanzen betreffenden Berfuchen ©. 51. $. 24. mit der Ueberfärift: »Gaͤnzhich vollbrachte Verwandlung Eis ner natürlihen Pflanzengattung in die ande: re.« —)
Da hat denn folglich alle Praͤformation des ſeit Erſchaffung der Welt conſervirten muͤtterlichen Keims am Ende zu nichts ge— holfen, ſondern hat der bildenden Kraft des männlichen Stof— fes (der eigentlich nad) der Evofutionshypothefe bloß durch feine erwedende Kraft auf denfelben hätte das follen ,) gänzlich weichen müffen. gi
.$ Und fo bleibt es folglihd im Ganzen unferem Erfenntniß- vermögen und felbft den Regeln aller philofopbifchen Naturfor= fung *) weit angemefjener, wenn man die Entftehung der neuerzeugten organifirten Korper bloß durh allmählide Ausbildung (Epigenesis) des an fih zwar ungeformten, aber unter den dazu erforderlichen Umständen organifirbaren, Zeugungsftoffes erklärt | Nur kommt e$ bei der vielfachen Vorftellungsart, die man fi von einer ſolchen allmählichen Bildung machen Fann und ge⸗
*) »Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam »quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suffici- »ant:« iſt ja die erfie von Newton’s goldenen regulis philoso- phandi. )
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organifirten Körpern überhaupt. 11
macht bat’), darauf an, fie fo zu beflimmen, wie fie dem Begriff von organifirten Körpern, und dann den Phänomenen, die und die Beobachtung bei Entſtehung derfelben lehrt, am un— gezwungenſten entfpricht.
Und dieß gefchieht, wenn ie annimmt, daß der reife, vor= per zwar ungeformte, aber organifirbare Zeugungöftoff der Ael— tern, wenn er zu feiner Zeit, und unter den erforderlichen Um- ſtänden an den Ort feiner Beftimmung gelangt, dann für eine in demfelben nun zweckmäßig wirkende Lebenskraft, nähmlich den Bildungstrieb (nisus formativus), zuerft empfäng- lih wird; — für einen Trieb, der fih von aller bloß mecha= nifhen bildenden Kraft [als welche au im unorganifhen Reiz che Krnftallifationen *) und dergl. hervorbringt] dadurch aus— zeichnet, daß er nach der endlos mannichfaltig verfchiedenen Be— ſtimmung der organifirten Körper und ihrer Theile, die vielar- fig organifirbaren Zeugungdftoffe auf eben fo mannichfaltig aber zweckmäßig modificirte Weife in beftimmte Geftalten zu for— men vermag — und fo [ — durd die Verbindung des mecha— niſchen mit dem zweckmäßig Modificirbaren in diefem Triebe***) — ] juerft bei der Empfängniß die allmähliche Ausbildung ;
_ *) Denn wenn z. B. Mazimi meinte, daß die Kinder bev ih: rer Empfangnig im Mutterleibe bloß anfchöffen (ungefähr wie der Can— Diss Zuder), fo war das auch eine Art Evpigeneſe.
Aber das ſchlechterdings Unftatthafte aler folhen bloß mehani- fen Erklärungsarten der almählichen Ausbildung organifirter Körper durch eine fo genannte vis plastica (wie ed unfere ehrlichen Alten nannten), als welche eben fo gut im Mineralreich Statt hat, ergibt ſich von felbft aus dem Begriff von organifirten Körpern, als welcher durchaus zugleih Zweckmaͤßigkeit involvirt. f. Kant a. a. D. ©. 292.
, +") Die Kroftallifationen unterfheiden ſich von den organifirten Körpern ſelbſt fhon durch die geometrifche Regularität ihrer fat im— mer geradlinichten Umriſſe, die auf wenige Fundamentalformen re: ducirbar find; da hingegen die Geftaltungen der Thiere und Gewaͤchſe eben wegen ihrer unüberfehbar vielartigen Zweckmaͤßigkeit zu beſtimm— ten Berrichtungen auch in unüberfehlich vielartige Formen (von endlos vartirenden Umriſſen) gebildet werden mußten.
... F) Bon diefer Verbindung der beiden Principien, — des mecha— nifhen mit dem tefeologiihen, — die man fonft bei Grflärung der Entftehungsart organifirter Körper für unvereinbar gehalten, und wor: in gerade das Auszeichnende im Begriffe von Bildungstrieb liegt; davon gibt zumahl die vergleichende Anatomie auffallend ein: leuchtende Beyipiele in Menge, deren ich in meinem Handbuche der- ſelben manche angeführt Habe; — f. auch Voigt's neued Magazin
“ . . 21 .
12 U. Abſchnitt. Bon den
dann aber auch die lebenswierige Erhaltung dieſer organiſchen Bildung durch die Ernährung; und ſelbſt wenn dieſelbe durch Zufall gelitten haben ſollte, ſo viel möglich die Wiedererſetzuag derſelben durch die Reproduction, bewirkt wird ).
Anm. ı. Dieſe allmaͤhliche Ausbildung der neuen organiſirten Kör- ‘per ift am anſchaulichſten an jochen zu betrachten, die mit einer ganz anfehnlihen Größe ein ſchnelles (fo zu Sagen zufehends merk— lihes) Wahsthum, und eine fo zarte halbdurchfichtige Tertur verbinden, daß fie czumahl im fattfamen Lichte und unter maͤßi— ger Vergrößerung) aufs deutlichfte, Plarfte durchſchaut werden
nnen.
So im Gewäcsreiche an manchen einfachen Waſſermooſen, wie 3. 3. an der Brunnen » Conferve (Conferva Jontinalis, Caeramium caespilosum Roru.) die fih in den erften Früh: Tingstagen fortpflanzt. (— Abbild, nat. hist. Gegenst. tab, 49.) Unter den blutlofen Thieren an den Arm = Polypen-
Und unter den warmblütigen an der erften Erfcheinung des Kuͤchelchens im bebrüteten Eye und feiner dann von Tag zu Tag fortrüdenden Ausbildung.
Anm. 2. Hoffentlich ift für die mehrften Lefer die Erinnerung überflüffig, daß das Wort Bildungstrieb felbft, fo gut wie die Benennungen alfer andern Arten von Lebenseräften an fich weiter nichts erklären, fondern bloß eine befondre (das Mechanifche mit dem weckmaßig Modificirbaren in ſich vereinende) Kraft, unters ſcheidend bezeichnen ſoll, deren conſtante Wirkung aus der Er— fahrung anerkannt worden, deren Urfache aber fo gut, wie die Urfahe aller andern noch fo allgemein anerkannten Naturfräfte für und hier nieden im eigentlichen Wortverftande qualitas oc- culta bleibt. Das hindert aber nicht, daß man nicht immer mehr fuchen foltte, ihre Wirfungen durch Beobachtung weiter zu erfor: fchen und zu verfolgen, und fie fo auf allgemeine Geſetze zuruͤck zu bringen.
NS.
Durch die beftimmte end aͤßige Wirkſamkeit des Bil- dungstriebed in den beftimmten dafür empfänglichen organifir- baren Stoffen, wird nun die eben fo beftimmte Form und der Habitus aller einzelnen Öattungen (Species) von organifirten Körpern erhalten; und bei denen, wo es Statt findet, auch ihre Serual = Verfchiedenheit, durch welche ſich nähmlich die männlichen Geſchöpfe von den weiblichen in derſelben Satlung auszeichnen.
$. 11.
Aber freilich fann der Bildungstrieb auch. ah, ſowohl
als be andere in ihrer Thätigkeit geftorte oder —
*), Dieß Alles habe ich in der dritten Ausgabe der Schrift: über den Bildungstried; Göttingen, 1791. 8. weiter ausgeführt.
organifieten Körpern überhaupt. 15
modificirte Lebenskraft auf mandherlei MWeife von feiner eigent=
lichen beſtimmten Richtung abweihen*).
So entſtehen dann (— der bloß krankhaften, nicht ins Gebiet der Naturgeſchichte gehbrigen, Abweichungen zu geſchweigen —) 1) durch ganz gewaltſame Störungen des— felben ganz widernatürliche“*) Formen der organiſirten Kör— ver, nahmlich die Mißgeburten.
2) Dadurch, daß der zweyfache Serual= Charakter, ‚der fonft in den beiden Geſchlechtern getrennt feyn follte, mehr, oder weniger in einem und eben demfelben Individuum verbunden it, die Zwitter,
3) Dadurch, daß zwei Gefchöpfe ganz verfchiedener Gat— tung (zweierlei Species) einander befrudten, die Bas ftarde, —9
Endlich durch den Einfluß der mancherlei Urſachen der allmaͤhlichen Rusartung, die Raſſen und Spielarten.
F——
Unter Mißgeburt verſteht man, nach dem gemeinen Sprachgebrauche, eine widernatürliche, angebohrne, leicht in die Augen fallende Verunſtaltung in Bildung äußerer, größerer Theile. So mannigfaltig aber dieſe Mißgeſtalten ſeyn können, ſo laſſen ſie ſich doch alle auf folgende vier Hauptclaſſen zu— rückbringen *);
1) M. ©. mit widernatürlicher Bildung einzelner Glieder. Fabrica aliena,
2) M. G. mit Verfegung oder mwidernatürliher Lage einzel- ner Glieder. Situs mutatus, Die feltenften von allen (— nähmlich unter Mißgeburten in dem angegebenen Sinne. Dft bat man hingegen bei Leichenöffnungen mohlgebildeter Menfchen mande ihrer Eingeweide in ganz verfehrter Lage gefunden — ).
*) Ausführlicher habe ich von diefen Abweichungen gehandelt in
der Schrift de anomalis et vitiosis quibusdam nisus formalivi aberrationibus. im Ilten B. der Commentat, Societ. R. scienliar. recentior. . 4 (Widernatuͤrliche) verfteht fich wieder nah dem allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes. — Man hat gemeint, es fey befler, uns gewöhnlich zu fagen ald widernatürfidh. Aber das find zwey fehr verfchtedene Begriffe, deren Verwechſelung felbft zwar nicht ungewöhnlich, aber gewiß nicht natürlich ift.
***) Ginen abenteuerlich mißgeftalteten Ferfelfopf aus meiner Sammlung, an welchem fich alle diefe vier Hauptarten von Mon frofität vereint finden, f. in den Abbild, nat. hist, Gegenst. tab. 61,
J 11. Abſchnitt. Don den
3) M. ©. denen ganze Glieder mangeln. Monstra per defectum. Unter diefen die lehrreichten.
4) M. ©. mit übergäbligen. Gliedern. Monstra per excessum, Die gemeinften (— felbft nicht felten unter wilden Thieren, z. B. Hafen — ); theild gar erblih, wie z. B. in den fehsfingrigen Familien, und bei Hühnern mit fünf oder ſechs Zehen.
Anm. Die auffalfende Aehnlichkeit unter ſo vielen Monſtroſitaͤten beweiſet, daß auch ſelbſt dieſe Abweichungen des Bildungstriebes dennoch beſtimmten Geſetzen folgen müſſen; fo, wie hingegen die befannte Erfahrung, daß die Hausthiere ſeit Ihrer Unterjochung und die cultivirten Gartenpflanzen denſelben weil ‚mehr als in ihrem wilden Zuftande unterworfen find (daß 3. B.